Rückschlag für den Lebensschutz

"Freiheit zu Abtreibung" kommt in Frankreichs Verfassung

Eine garantierte "Freiheit zum Schwangerschaftsabbruch" ist demnächst Teil in Frankreichs Verfassung. Am Montagabend gaben die in Versailles versammelten Abgeordneten beider Parlamentskammern mit deutlicher Mehrheit Grünes Licht für das Projekt von Staatspräsident Emmanuel Macron.

780 Parlamentarier stimmten mit Ja, 72 mit Nein. Mehrere Redner feierten ihr Votum als historisch. In der vergangenen Woche hatten Nationalversammlung und Senat bereits in separaten Abstimmungen gebilligt, dass Abtreibungen künftig vollständig straffrei gestellt werden.

Macron hatte Ende Oktober versprochen, ein "Recht auf Abtreibung" in der Verfassung zu verankern. Die jetzige Formulierung einer "garantierten Freiheit zum Abbruch" bewerten Experten als dehnbarer und also rechtlich etwas schwächer. Umfragen zufolge befürworten 86 Prozent der Franzosen eine völlige Liberalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Die Betreibergesellschaft des Eiffelturms kündigte für den frühen Abend ein fünfminütiges Jubelflackern als Beleuchtung des Pariser Wahrzeichens an, wo sich viele Franzosen versammelten.

Abtreibungsgegner verurteilten die Neuregelung. Der frühere Pariser Erzbischof, Bioethiker und Arzt Michel Aupetit twitterte: "Das Gesetz drängt dem Gewissen auf zu töten." Frankreich habe einen Tiefpunkt erreicht. "Es ist ein totalitärer Staat geworden." Die Französische Bischofskonferenz reagierte mit Bedauern. Abtreibung bleibe ein Angriff auf das Leben und könne nicht nur aus dem Blickwinkel der Frauenrechte betrachtet werden, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Die Bischöfe riefen Katholiken am Montag zu Fasten und Gebet auf. Für den Vatikan schloss sich die Päpstliche Akademie für das Leben der Kritik an und wiederholte ihre Ablehnung von jeder Art von "Recht zur Tötung eines menschlichen Lebens".

In Deutschland ist ein Schwangerschaftsabbruch laut Paragraf 218 im Strafgesetzbuch weiter grundsätzlich rechtswidrig. Er bleibt aber in den ersten zwölf Wochen straffrei, wenn sich die Schwangere zuvor beraten lassen hat. Zwischen Beratung und Abbruch müssen mindestens drei Tage liegen. Ausdrücklich nicht rechtswidrig ist eine Abtreibung nach einer Vergewaltigung sowie bei Gefahren für das Leben, die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren.

Im März 2023 hat die Bundesregierung eine Experten-Kommission "für reproduktive Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin" eingesetzt und den Prüfauftrag erteilt, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Regelung zum Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches möglich ist. Ergebnisse sollen im Frühjahr vorgelegt werden.

In Frankreich ist Abtreibung unter bestimmten Bedingungen seit den 1970er Jahren legal. Mit den Gesetzen "Neuwirth" von 1967 und "Veil" 1975 wurde das totale Verbot ("Gesetz von 1920") abgeschafft. Seit 1967 durften französische Frauen die Pille nehmen; 1975 wurden Schwangerschaftsabbrüche bis zur 10., seit 2020 bis zur maximal 14. Woche straffrei gestellt.

Die damalige Familienministerin und Auschwitz-Überlebende Simone Veil (1927-2017) betonte in der Parlamentsdebatte im November 1974: "Ich sage mit all meiner Überzeugung: Abtreibung muss die Ausnahme bleiben, der letzte Ausweg für hoffnungslose Situationen. Aber wie können wir Abtreibung tolerieren, ohne dass sie ihren außergewöhnlichen Charakter verliert; ohne dass die Gesellschaft sie zu fördern scheint?"

Im Herbst 2020 verlängerte die Nationalversammlung nach hitzigen Debatten die Frist für Abtreibungen von 12 auf 14 Wochen. Seit 2001 werden in Frankreich im Jahresdurchschnitt rund 230.000 Abtreibungen vorgenommen, etwa ein Viertel davon außerhalb von Krankenhäusern. Etwa jede vierte Schwangerschaft wird dadurch beendet. Die Einnahme von Abtreibungspräparaten zu Hause ist bis zur siebten Woche gestattet.

Die Befürworter der Fristverlängerung argumentierten damals, derzeit gingen viele Schwangere nach Spanien, Großbritannien oder in die Niederlande, wo Abbrüche bis zur 22. Woche erlaubt seien. Auch führten nur rund drei Prozent der Gynäkologen und Hebammen im Land selbst derzeit Abtreibungen durch. Dadurch gebe es lange Wartezeiten, die Abbrüche letztlich nicht mehr legal möglich machten.

KNA